Digitales Marketing 2017

Reale künstliche Intelligenz 

Über den Autor

Seit über 20 Jahren arbeitet Frank Puscher als Journalist, Berater und digital Trainer in den Themengebieten E-Commerce und Online Marketing.

Trends im Digital Marketing: Reale künstliche Intelligenz

Die Marketing-Welt wird in rasanter Geschwindigkeit immer komplexer. Das schafft der gemeine Marketer nur noch mit Hilfe intelligenter Automatisierung. Und ganz nebenbei schickt sich Spracherkennung an, die Bildschirme abzuschaffen. Wozu brauchen wir dann noch einen Relaunch?

Das ging schnell. Vor wenigen Wochen noch war der Internetzugang im deutschen Wohnzimmer fest in der Hand des iPads. Mal abgesehen von ein paar Unbelehrbaren, die tatsächlich den Webbrowser ihres scheinbar smarten Fernsehers benutzen. Und jetzt rufen plötzlich alle nach Alexa.

  • „Alexa, kannst Du das Licht etwas dunkler machen?“
  • „Alexa, wie kocht man ein Filet Stroganoff?“
  • „Alexa, wie viele Einwohner hat Düsseldorf?“

Amazon hat den Angriff auf das deutsche Wohnzimmer mit Kampfpreisen gestartet. 60 und 160 Euro kosten die beiden Echo-Varianten. Echo ist eine Tennisballdosen-große Kombination aus Mikrofon, Lautsprecher und WLan-Modul. Bei Echo dot fehlt der Lautsprecher. Amazon weiß genau, dass das Zeitfenster sehr klein ist. Google steht mit seinem Konkurrenzprodukt Home schon in den Startlöchern und auf der CES haben noch andere Hardwarehersteller Alternativen gezeigt.

Warum hat es Amazon eilig? Weil Amazon seine Künstliche Intelligenz Alexa trainieren will. Und das tut sie mit jeder Frage, die die Nutzer stellen. „Die Spracherkennung bei Alexa ist in den letzten Monaten signifikant besser geworden“, meint Christian Kuhn, der Geschäftsführer der Agentur Nuisol. Dennoch glaubt der Hesse, dass Google die bessere Startposition hat. „Die wissen einfach mehr über mich“.

Und dieses Wissen brauchen die Systeme auch, denn sonst kommt „verbal computing“ ganz schnell an seine Grenzen. Der Dialog mit der Maschine ist linear und so einem komplexen Konfigurationsprozess auf einer Website um Längen unterlegen – man denke an die Produktauswahl im Onlineshop. Es sei denn, das Empfehlungssystem dahinter ist in der Lage aus wenigen gezielten Fragen das ausreichende Wissen zu schöpfen.

Was bedeutet das für das Marketing? Nicht weniger, als dass ein Teil der verfügbaren Bildschirmfläche verloren geht. Marketing für Alexa bedeutet zum Einen, dass man starken Markenaufbau betreiben muss, damit die Nutzer explizit nach meinem Unternehmen fragen oder es als Standardlieferant konfigurieren.

Und dann gibt es vermutlich das Revival von Radiowerbung. Aller Voraussicht nach in einem Auktionssystem wie bei Google Adwords.

Welche Rolle spielen sprachgesteuerte Systeme in den Haushalten und wie geht das Marketing damit um?

Intelligente Helfer

Der sehr universelle Ansatz von Alexa und Google Now ist im Interface schwer abzubilden. Einfacher ist das, wenn man das Aufgabenspektrum sehr weit reduziert. Aus diesem Grund wird es in diesem Jahr eine Vielzahl an Geräten geben, die einen Teil der Alexa-Technologie nutzt, um damit kleine Aufgaben zu erfüllen. Die Herdplatte regelt die Temperatur nach Sprachkommando und nicht per Berührung. LG hat in Las Vegas bereits einen Kühlschrank mit Alexa-Schnittstelle gezeigt.

Ähnlich wird das mit anderen KI-Systemen funktionieren. Viele besitzen offene Schnittstellen, auf die man programmieren kann. Über das Hype-Stadium hinaus ist bereits die Idee, mit Messengern wie Facebook oder Whatsapp professionell zu arbeiten. Einen Teil der Standardkommunikation kann hier auch eine intelligente Software – ein Bot - übernehmen. Ein erstes wirklich gutes Beispiel kommt von der Fluglinie KLM, die den gebuchten Fluggast permanent und vollautomatisch mit Informationen versorgt. Im Messenger, den er sowieso benutzt und nicht in einer eigenen App.

Es ist an der Zeit, sich selbst Gedanken zu machen, welchen Teil der Kommunikation mit den Kunden man eventuell automatisieren oder in Messenger-Systeme verlagern kann.

Auf der CES in Las Vegas zeigte LG Electronics einen Kühlschrank mit Schnittstelle zu Alexa

Mobile Web Apps

Künstliche Intelligenz wird mittelfristig auch ins Webdesign Einzug erhalten. Intelligente Systeme zur Text- und Content-Bewertung gibt es längst. Tools, die vollautomatisch Texte generieren haben auch bereits Marktreife erreicht. Und mit The Grid gibt es ein System, das versucht, das komplette Webdesign von einer Maschine machen zu lassen. Man lädt nur noch die wichtigsten Daten und Bilder auf den Server und das Rendering geschieht je nach Anwendungszweck automatisch.

Noch ist das Zukunftsvision. Bis dahin werden sich Webdesigner nach wie vor um mobilfreundliche Webseiten bemühen. Google hat in dieser Hinsicht letztes Jahr einen neuen Vorstoß gewagt, der einiges in Bewegung bringen könnte. Die Rede ist von Progressive Web Apps. Das sind Applikationen, die wie echte Apps wirken und auch einen Gutteil der Smartphone-Funktionalität verarbeiten können. Sie müssen aber nicht aus einem App-Store geladen und separat installiert werden. Das erleichtert dem Nutzer den Zugang und macht die Entwicklung ein wenig günstiger.

Air Berlin hatte letztes Jahr im Rahmen der Google IO einen Prototypen vorgestellt. Darin ließ sich sogar offline arbeiten, wenn keine Netzverbindung existierte. Die Boardkarten wurden lokal gespeichert.

Mehr über den neuen Standard findet sich hier: https://developers.google.com/web/fundamentals/getting-started/codelabs/your-first-pwapp/

The Grid erzeugt auf Knopfdruck Webseiten mit AI – die logische Konsequenz der Automatisierung

Content Marketing

Ob es die eigene Website sein soll, auf der Content veröffentlicht wird, oder man Reichweiten-starke fremde Plattformen nutzt, bleibt auch in diesem Jahr eine spannende Frage. Influencer Marketing wird erwachsen. Die Preise bei den sehr erfolgreichen Influencern ziehen signifikant an, aber es gibt für praktisch jedes Thema entsprechend erfolgreiche Multiplikatoren in den Sozialen Netzwerken. Beim Briefing sollte man von Anfang an Spielraum einplanen, um mit dem Influencer gemeinsam spannende Konzepte zu entwickeln.

Allerdings wird es auch unter Zuhilfenahme der Influencer immer schwieriger, im Netz gehört zu werden, denn es wird mehr Content veröffentlicht als gesehen werden kann. Insofern ist 2017 das Jahr der Content-Strategie. Das ist ein integriertes Konzept mit strategischen Zielen, passenden taktischen Zielen, einer Ressourcenplanung und einem zentralen Redaktions- bzw. Themenplan. Dafür werden mehr und mehr auch professionelle Content Management Tools wie Scompler eingesetzt.

Und natürlich gehört eine ausgefeilte Seeding-Strategie mit dazu. Neben den klassischen Formaten auf Google, Facebook oder Youtube wären auch neue Formate auf Instagram oder vielleicht sogar Snapchat-Stories spannend. In jedem Fall sollte man sich die Content-Empfehlungssysteme mal genauer anschauen. Die meisten Marketer berichten gutes über Plista oder Outbrain. Beide Lösungen zeigen Teaser für Content im Umfeld von Seiten, die der Nutzer gerade betrachtet, meistens ebenfalls redaktionelle Seiten. Dort werden vollautomatisch Inhaltsempfehlungen eingespielt, die den Nutzer dazu verführen sollen, dem Link zu folgen. Beide werden gerne auch als Native Advertising Formate gehandelt, weil die Empfehlungen den redaktionellen Teasern so ähnlich sind. 

Influencer-Marketing bleibt auch in diesem Jahr ein spannender Treiber für Reichweite (Im Bild: Julia Wulf für Coke Zero)

Automatisierung

Vollautomatische Ausspielung ist natürlich auch das Zauberwort im Real Time Advertising. Es hat den Anschein, als setzt sich der programmatische Einkauf von Werbeflächen auch in den Premiumsegmenten immer mehr durch. Dafür sorgen halbtransparente Systeme wie Headerbidding und Private Marketplaces, die es dem Publisher erlauben, seinen Key-Account-Vertrieb zu schützen.

Insofern wird, wer hier keine Expertise entwickelt, mittelfristig immer weniger Zugang zu guten Werbeflächen erhalten. Es sei denn, man erkauft sich die Expertise teuer bei einem Mittelsmann – vulgo Mediaagentur. Und gerade kleine Unternehmen kommen daran kaum vorbei, weil sie die Expertise selbst nicht aufbauen können, mangels qualifizierten Personals.

Für Marketing Automation, also die Automatisierung der Marketing-Prozesse im Hintergrund, gilt das nicht unbedingt. Hier arbeiten alle Tool-Anbieter daran, es den Marketern möglichst einfach zu machen. Adobe beispielsweise setzt Künstliche Intelligenz ein, um dem Marketer Targeting-Vorschläge zu machen.

Sensei heisst der intelligente Adobe-Assistent, der zum Beispiel das Tagging eines Bildes automatisch übernimmt.

Fazit

Das waren nur ein paar der aktuell spannenden Entwicklungen im Bereich Online-Marketing. Spannend wird auch sein zu beobachten, wie sich Augmented und Virtual Reality weiter entwickeln. Bei Augmented Reality erntet Microsoft und seine Hololens derzeit großes Lob. Unternehmen wie Blippar entwickeln spannende Ansätze, die reale und die digitale Welt zu verschmelzen. Außerdem wartet die gesamte Branche darauf, dass sich der Vorhang für Magic Leap endlich lüftet.

Bei Virtual Reality ist die erste Euphoriewelle abgeebbt und jetzt beginnt der Alltag. Samsung kürte jüngst eine B2B-Software – die VRSuite - von der Düsseldorfer Softwareschmiede present4D zur Killer App. Es geht dabei um ein simples Autorensystem, das 360-Grad-Videos mit interaktiven Inhalten anreichert. Hier wird also den Marketern die Hand gereicht, um einfacher und kostengünstiger VR-Inhalte produzieren zu können.

Doch bei den ganzen Prognose darf man eines nicht vergessen: Nichts veraltet so schnell, wie eine Vorhersage über Entwicklungen im Netz. Es wird 2017 eine Handvoll neuer, spannender Entwicklungen geben, die wir heute noch nicht erahnen können.

Die VR Suite aus Düsseldorf macht aus einem 360-Grad-Video im Handumdrehen ein interaktives VR-Erlebnis

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