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Digital:Relaunch Konferenz 2019 - Eine Druckbetankung Wissen

Eine Druckbetankung Wissen

Wer den hohen fachlichen Austausch der vergangenen Relaunch Conferences gewohnt war, wusste: die erste Konferenz unter dem Namen Digital:Relaunch konnte nur ein Erfolg werden.

Infopark lud den deutschen Mittelstand und zahlreiche Disruptionsexperten ins stylische nhow Hotel an der Spree. An zwei Tagen gaben Experten in 18 Podien und Vorträgen sowie vier Ganztages-Workshops ein breites Statusupdate zum Stand der “Digitalisierung im deutschen Mittelstand” und blickten in die Zukunft. Eins ist sicher: Deutschland und sein Mittelstand haben Nachholbedarf, doch mit vereinten Kräften kann das gelingen!

Innovieren geht über studieren: Koalition der Willigen

Bernd Völcker, CEO bei Infopark betont gleich zu Beginn, wie wichtig es sei, Bremser im Unternehmen zu ignorieren und sich stattdessen mit Gleichgesinnten zu verbünden: "Man sollte eine Koalition der Willigen bilden [um Digitalisierung voranzutreiben]." Gleichzeitig erklärt er, was er am agilen Ansatz so spannend findet: "Selbst, wenn eine Kleinigkeit daneben geht, fällt das nicht so stark ins Gewicht." Man könne auf diese Art nämlich kleinere Intervalle gehen und viel schneller adaptieren.

Dass Infopark mit der Zeit geht, beweist das Commitment Völckers zu modernen Bildungsabschlüssen: "Nanodegrees werden heute offiziell anerkannt. [...] Wir bei Infopark erkennen Nanodegrees gleichwertig mit Uni-Studiengängen an."

Zum agilen Ansatz gehört es auch, Produkte frühzeitig am Markt zu testen. Für Constantin Gonzalez Schmitz (Principal Solutions Architect bei AWS) steht fest: "Ein MVP hilft Ihnen dabei, schnell Feedback von Ihren Kunden zu bekommen. [...] Datenbasiert erhalten Sie heute Feedback, ob Ihre Ideen beim Kunden ankommen."

Für innovative Prozesse oder Produkte muss jedoch nicht jedes Mal die ganze Firma umgekrempelt werden. Sudan Jackson (People Manager, REWE Digital) betont die Wichtigkeit, dort zu verbessern, wo man gerade steht: "Hört auf, Dinge zu disrupten. Das ist totaler Quatsch. Man muss nicht unendlich Ressourcen verbrauchen, um etwas Neues zu kreieren."

Innovationsteams bilden

Große Unternehmen haben gewohnte Prozesse, Lieferantenbeziehungen und Umsatzströme. Hier schlagartig alles über den Haufen zu werfen, kann gefährlich sein. Philipp Depiereux, Gründer und Geschäftsführer von etventure, erklärt, warum kleine gesonderte Innovationsteams außerhalb der Kernorganisation deshalb so wichtig sind: "Geschwindigkeit ist wichtiger als Kontrolle. Digitale Services werden innerhalb von Stunden entwickelt und am Markt getestet. [...] In der Kernorganisation werden Sie direkt erschossen." Er spricht sich insbesondere für mehr Mut zu Fehlern aus: "Außerhalb der Kernorganisation brauchen wir eine Kultur des ständigen Scheiterns. [...] Was positiv getestet wurde, bringen wir zurück in die Kernorganisation." 

Wie flößt man tradierten Unternehmen den Geist der Digitalisierung ein? Speaker Jacob Fahrenkrug weiß dies genau. Er war früher unter anderem CTO beim Onlinegames-Publisher Gamigo/Aeria Games und haucht nun in gleicher Funktion bei der VIESSMANN-Tochter V C/O dem Mutterunternehmen Innovation ein.

Auf der Konferenz erzählt er, wie man bei Viessmann bereits Tools wie Gsuite by Google und Asana nutze und regelmäßig Leadership Summits abhalte. Auch würden alle Mitarbeiter transparenten Zugriff auf Unternehmenszahlen erhalten.

Um Change-Prozesse im Unternehmen anzustoßen, müsse man drei Punkte beachten, so Fahrenkrug: "Ein Kundenproblem zu finden, maximale Transparenz in den Zielen und im Budget schaffen und dies kommunikativ im Team richtig zu begleiten." Aber nichts würde vorangehen, wenn nicht auch die Chefetage mitziehe: "Am Ende gelingen Innovationen nur, wenn sie von ganz oben betrieben werden."

Innovationsteams bilden

Im Panel “Digitalisierung konkret”, das vom Tagesspiegel und der Commerzbank- Digitalisierungsplattform #openspace kuratiert wurde, kristallisiert sich schnell ein Gesprächsfokus heraus: New Work. Gleich zu Beginn stellt Anna Kaiser, Gründerin von Tademploy, klar: "‘New Work’ ist kein Buzzword, sondern mission critical. Heutzutage arbeiten Menschen leider oft noch in Silos, Wissen wird nicht geteilt." 

Wichtig beim Modernisieren von Firmen sei dabei die “absolute Wertschätzung ggü. dem Individuum. [...] Ich will einem Menschen, der seit gefühlt 30 Jahren am Fließband steht, die Chance geben, die Systeme fürs neue Werk mitzuentwickeln.”, so Kaiser.

Wenn ein Unternehmen Kollaborationstools entwickle oder implementiere, dann müsse man wirklich versuchen, ALLE Mitarbeiter zu erreichen, so Susanne Nitzsche (Head of Innovation Lab, ALBA): “Nicht alle unsere Berufskraftfahrer haben ein Smartphone.”

Flexible Arbeitszeitmodelle seien vor allem auch deshalb wichtig, um die besten Köpfe zu bekommen: "Man findet keine guten ITler in Vollzeit. Alle wollen ihre Projekte nebenbei haben.", so Kaiser (Tandemploy).

Anna Kaiser erklärt weiter, warum sie bei Tandemploy am großen Rad drehen will : "Nur wenn wir utopisch denken, schaffen wir es, kleine Schritte in die richtige Richtung zu gehen." Schließlich habe dieses Vorgehen auch schon große Früchte getragen: "Vor ein paar Jahren kannte keine mehr Jobsharing, bald geht das 90.000-Mitarbeiter-Unternehmen SAP mit dem Jobsharing bei allen Führungspositionen live.", so Kaiser weiter.

Der Mensch im Mittelpunkt

Sudan Jackson (People Manager, REWE Digital) überzeugt nicht nur durch inhaltliche Expertise, sondern auch durch seine Entertainment-Qualitäten. Er betont, warum er im Laufe seiner Karriere so “people-driven” geworden ist: "Ich habe als HR Director [...] bei Capgemini mir immer die Frage gestellt 'Wie möchte ich behandelt werden?' Und deshalb behandle ich die Menschen gut.’”

AI Ethics und Diversität

Florian Dohmann von Birds on Mars spricht davon, dass wir uns aktuell in einem “AI Sommer” befänden: “Wir haben nun einerseits die Daten und andererseits die Rechenpower. [...] Wir bauen immer mehr superhumane Rechenmaschinen.” Unser Bestreben muss es aber sein, dass diese nicht in die gleiche Bias-Falle tappen wie wir Menschen: "Was kommt denn bei einer KI raus, wenn 80% der Entwickler männlich sind?”

Diversität zu schaffen ist also das Credo aktueller AI-Bestrebungen. Dohmann betont noch einen anderen Punkt. “Außerdem brauchen wir den Blick von Soziologen und Künstlern [...] Wir haben deshalb die "No MINT"-Initiatve gegründet." AI muss also raus aus der ITler-Nische. Es ist ein Thema breiter Relevanz.

Wer möchte schon Server?

“Wer von Euch mag Webserver?” fragt Thomas Witt (Scrivito & Infopark) das Publikum. Wenige melden sich. Den wenigen, die sich melden, entgegnet Witt: "Webserver sind ein Ding der Vergangenheit. [...] Eigentlich wollen wir FaaS (Function-as-a-service)."

Aber was sind die Vorzüge des Serverless” Computings? “Serverless” heiße vor allem kostensparend, so Witt: "Die Idee von Serverless Computing ist, dass ich nicht für die gebuchte Zeit zahle, sondern für die wirkliche Nutzung." Bereits 2018 schwärmte Thomas Witt auf der Relaunch Konferenz von moderner Netz-Architektur: "ReactJS und Serverless Computing erlauben leistungsstarke Webanwendungen, die wie Native Apps wirken und ohne Server funktionieren.", so Witt damals.

Costumer Centricity bei AWS

Digital:Relaunch Conference zeigte anhand des Best Practise Cases Amazon, wie ‘Innovation im Auftrag Ihres Kunden’ entsteht. Digitalisierung sei laut Conzales Schmitz kein Selbstzweck, sondern “wenn Sie aus Daten Mehrwert schaffen”. "Der Grund, warum Customer Centricity heute so 'in' ist, ist der, dass der Kunde im Digitalen null Wechselkosten hat.", so Gonazales Schmitz weiter. Wie Customer Centricity par excellence bei den Amazon Web Services aussieht, machen die folgenden Zahlen deutlich: “Wir haben 69 mal die Preise gesenkt und momentan über 100 Services bei den Amazon Web Services.” Wie viel Bewegung bei Amazon generell ist, zeigt auch diese Zahl: 2014 habe es im Amazon-Kosmos insgesamt 64 Millionen Software-Deployments bei Amazon gegeben, also zwei Updates in der halben Sekunde. 

Rolle Europas: Problem erkannt

Der bekannte Ökonom und Autor Holger Schmidt (“Netzökonom”) sprach über die globale Plattform-Ökonomie und enthüllte eine erschreckende Zahl: "Europa ist nur bei 3 Prozent, weil ich SAP reingerechnet habe. Sonst wären wir bei 1%.“ Er betont dabei die Notwendigkeit, dass Deutschland endlich anfängt, seine Innovationen auch zu monetarisieren: "Wir automatisieren, digitalisieren Prozesse... [...] Aber sind nicht gut beim Bau digitaler Geschäftsmodelle." und fügt an: "Meist hat nicht ein besseres Produkt, sondern ein digitales Geschäftsmodell dafür gesorgt, dass Disruption entsteht."

Sudan Jackson (People Manager bei REWE Digital) bringt den Rückfall Deutschlands bzw. Europas gegenüber dem Rest der Welt auf den Punkt: “Leute, die wir früher im Urlaub fotographiert haben, weil sie ihre Wäsche im Fluss gewaschen haben, fotographieren uns heute, wenn wir noch Kreditkarten nutzen.” Es gilt also, aus der Digitalisierungsstarre zu erwachen. Aber wie?

Deutscher Mittelstand: Packen wir's an!

Trotz breiter Kritik an Deutschlands Digitalisierungsstand ist Anna Kaiser (Tandemploy) zuversichtlich: “Es gibt keine unüberwindbaren Hürden, keine Probleme [...]” Dazu müsse man sich aber auf das europäische Wertesystem verlassen und nicht nur ins Silicon Valley schauen.

Sie fügt hinzu: “Mit den richtigen Zielsetzungen: Wir werden Märkte erschließen können, von denen können wir uns heute noch gar nicht vorstellen. [...] Und wir haben die Leute dazu. Wir müssen die nur zusammenbringen und dann empowern – und dann gehts los.”

Joachim Köhler (Geschäftsführer #openspace) pflichtet Anna Kaiser bei: “Die beste Antwort auf Fachkräftemangel ist, Ihre Leute selber zu befähigen und in die erste Reihe und in die Lokomotive zu setzen, ihnen die richtigen Tools und Methoden an die Hand zu geben. [...] Der Appell ist: ‘Ingenieurtum übersetzen in Geschäftsmodelle’ und die eigenen Mitarbeiter ganz nach vorne zu nehmen. Dann mach’ ich mir um den Mittelstand auch keine Sorgen.” Ein schöneres Schlusswort könnte man sich nicht ausdenken.

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