Die Kollgene besprechen die ERP Software

Customer Experience im Mittelpunkt

Der Kunde zuerst

Customer Centricity, die Kundenzentrierung wird heute vielfach mit Personalisierung, Marketing Automation und digitalen Tools in Verbindung gebracht. Tatsächlich können Tools helfen, aber der Kern von Customer Centricity sind eine kluge Strategie und gute Personalführung.

Neulich in der Hotline eines großen Telekommunikationsanbieters:

Kunde: Ich plane gerade einen Umzug.

Mitarbeiter: Das ist schön, dürfen wir Sie begleiten?

Kunde: Eigentlich gerne. Ich würde ja auch die Rufnummer behalten wollen und mir wäre an einer möglichst einfachen Abwicklung gelegen.

Mitarbeiter: Das können wir gerne so machen. Wir haben einen speziellen Umzugsservice.

Kunde: Ja, aber die die neuen Tarife, die Sie auf Ihrer Website anbieten, die ich zufällig sah, als ich nach der Nummer der Kundenhotline suchte, sind viel günstiger und haben sogar mehr Leistung.

Mitarbeiter: Die sind aber natürlich nur für Neukunden.

Kunde: Natürlich. Aber ….

Mitarbeiter: Ich könnte Sie ja jetzt an die Vertragsabteilung weiterleiten und die machen Ihnen dann ein attraktives Angebot.

Kunde: Kann es ungefähr mit den Angeboten auf der Website mithalten?

Mitarbeiter: Nein.

Kunde: Und wenn ich als Neukunde auch noch über ein Vergleichsportal gehe, bekomme ich noch eine Prämie.

Mitarbeiter: Aber sie sind kein Neukunde.

Kunde: Nach der Kündigung schon.

Mitarbeiter: Da haben Sie natürlich recht. Und ganz ehrlich: Das Verfahren ist viel einfacher, wenn Sie einfach kündigen und dann neu abschließen. Die Prozesse sind sehr gut optimiert. Das geht ganz einfach.

Kunde: Sie sagen, ich sollte lieber kündigen?

Mitarbeiter: Das haben Sie gesagt, aber sie hören mich nicht widersprechen.

Wow. Ein Hotline-Mitarbeiter, der die Zufriedenheit der Kunden in die eigene Hand nimmt und damit aller Voraussicht nach gegen die Weisungen seines Arbeitgebers verstößt. Alle Achtung. Oder handelt es sich gar um eine subtile CRM-Maßnahme, die vom Marketing angestoßen und nun quasi unter der Hand durchgereicht wird?

In jedem Fall besteht kein Zweifel darüber, dass das Kundeninteresse über das kurzfristige Unternehmensinteresse gestellt wurde. Kann ein solches Verhalten der Mitarbeiter langfristig sogar positiv auf den Unternehmenserfolg einzahlen, wenn der Kunde sich gut geholfen fühlt? 

Customer Centricity versus Skalierungs-optimierte Prozesse 

Um es klar zu sagen, der Artikel kann die Antwort nicht geben. Wenn ein Unternehmen bestimmte Produkte gar nicht führt, ist eine wohlmeinende Weiterleitung an eine andere Quelle fraglos eine gute Dienstleistung. So stellt sich zum Beispiel die ANWR das vor. Sie ist der größte deutsche Verband von Schuhhändlern und überhaupt einer der größten Branchenverbände. Eine Idee vor dem Hintergrund der digitalen Transformation ist es, eine übergreifende Datenbank an Bestandsartikeln aufzubauen, auf die jeder angeschlossene Händler zugreifen kann. Der Verkäufer im Laden kann also auch die Produkte seines Wettbewerbers auf der anderen Straßenseite einsehen und mitverkaufen, wenn er möchte. Er erhält dafür eine Provision und erspart dem Kunden das Herumirren in der Fußgängerzone und der ganzen Branche erspart er die Abwanderung des Kunden in Online-Kanäle.

Kundenzentrierung ist die große Stärke, mit der der stationäre Handel punkten kann …. wenn er kann. Onlinesysteme sind grundsätzlich als „One-size-fits-all“ aufgebaut und sollte der Kunde ein Verständnisproblem mit dem Angebot haben, steht er in der Regel im Regen. Da nutzen auch die besten automatischen Bots nichts. Fragen Sie mal UBO, die Antwortsoftware von Unitymedia nach einem technischen Problem. Das Programm findet die Frage derart profan, dass es sich weigert, überhaupt zu antworten. Alexa und Siri hätten wenigstens noch die Höflichkeit zu sagen: „Ich habe Sie nicht verstanden“.

Doch der Rückstand von online wird geringer. Methoden der Personalisierung und Automatisierung erlauben natürlich, dass sich Software-Systeme enger an den Kunden „anschmiegen“ und relevantere Informationen anbieten. Aber noch ist diese Entwicklung zu automatisierter Kundenzentrierung in der Frühphase.

Wie viel Zeit bleibt für Digitalisierung? Im Matratzengeschäft werden aktuell noch acht von zehn Käufen stationär abgewickelt.

Chat-Berater

Das weiß auch Marcus Diekmann. Er ist einer der bekanntesten deutschen E-Commerce-Berater und leitet seit eine Jahr die digitalen Geschicke von Matratzen Concord.

Das Unternehmen ist in Sachen Fläche Marktführer in Europa mit über 1000 Filialen allein in Deutschland. Die größten Wettbewerber sind Ikea und das Dänische Bettenlager. Die Branche ruht sich auf ihren Matratzen noch einigermaßen gemütlich aus, denn fast 80 Prozent der Abschlüsse werden stationär getätigt. Die Prozesse sind durchoptimiert. Man kennt sie, die unübersichtlichen Matratzenstapel. Aber das macht nichts, denn man weiß ja sowieso nicht, nach welchen Kriterien man auswählen soll. Wichtiger ist für die Kaufentscheidung der Permanentrabatt. Wer nicht zwei Matratzen für den Preis von Einer kauft, macht einen Fehler.

Zwei Jahre gibt der E-Commerce-Experte Diekmann der Branche noch, bis der Onlinehandel signifikant Fahrt aufnimmt. Erste Alarmglöckchen schrillen schon: Die modernen Matratzen-Startups Emma, Eve oder Caspar sorgen für Wirbel in der Presse und Social Media und zeigen den Etablierten, dass sich auch in einem scheinbar verteilten Markt noch Marken schaffen lassen.

Das hat natürlich damit zu tun, dass sich die Bedeutung des Schlafzimmers signifikant geändert hat. Für junge, urbane Zielgruppen sind Bett und Matratze längst nicht mehr nur der Ort der Entspannung sondern Lebensmittelpunkt. Dort wird gearbeitet, Unterhaltung konsumiert und nicht zuletzt hat man dort auch Sex. Gleichzeitig ist das Gesundheitsbewusstsein in den letzten Jahren deutlich gestiegen und die Bedeutung eines gesunden Schlafs für das Wohlbefinden steht außer Frage.

Für Matratzen Concord ist das eine Steilvorlage. Man hat sie nämlich schon, die Tausende von Matratzen-Experten, die den Kunden in den Mittelpunkt stellen und kompetent beraten können. Das sind die Verkäufer in den Filialen. „Wir können die neuen Technologien doch auch dazu nutzen, deren Wissen zentral verfügbar zu machen“, sagt Diekmann und legt damit den Finger auf die Wunde so vieler Filialunternehmen, die einen großen Kostenblock mit sich schleppen und permanent in der Angst leben, das zentral durchgeführte Digitalisierungsmaßnahmen den Handel tendenziell schwächen, demotivieren und somit das Kundenerlebnis zerstören. Ein Erlebnis, das online nicht vollständig ersetzt werden kann.

Marcus Diekmanns Idee der Digitalisierung ist, seine Verkäufer zu Chat-Agenten weiter zu bilden. In der Zeit, wenn in der Filiale nicht viel los ist, sollen sie sich in den Onlineshop einklinken und dort Kunden über ein Chatfenster beim Verkauf beraten. Conversational, Commerce heißt das im Beratersprech. Natürlich gibt es dafür eine Provision. Dem Verkäufer soll es gleich sein, ob er eine Online-Matratze oder eine vom Stapel verkauft. Im Gegenteil: Er soll beide Welten nahtlos miteinander verknüpfen und zur eben stationär verkauften Matratze online ein Kissen dazu anbieten, dass er in der Filiale nicht führt.

Marcus Diekmann muss zwei Kundengruppen bedienen: Die Endkunden und die Filialverkäufer.

Wie gelingt es, dem Kunden zeitgleich Discounter-Image und gute Beratung zu kommunizieren?

Customer Experience nach Innen und Außen  

Und während Marcus Diekmann dieses ehrgeizige Transformationskonzept entwickelt hat – neue Filialstandorte werden danach ausgesucht, ob es eine Glasfaser-Internetverkabelung gibt – wurde ihm klar, dass er zwei Customer Experiences im Blick behalten muss. Die des Endkunden, der trotz des Redesign der Filialen immer noch die Wahrnehmung haben soll, das Concord Preisführer bleiben will. Ein großer Spagat: Erwartet man von einem Discounter gute Beratungsleistung?

Und dann gibt es aber noch einen Kunden: den Verkäufer. In den letzten Jahren sind so viele Omnichannel-Konzepte baden gegangen, weil die stationären Verkäufer Angst um ihren Job hatten und den Onlineshop als Konkurrenz empfanden. Die haben manchmal den Kunden lieber zu Amazon geschickt, als in den eigenen Onlineshop, wenn eine Ware auf der Fläche nicht verfügbar war.

Ohne die Motivation seiner Mitarbeiter in der Fläche würde Diekmann genau die Kundenzentrierung verlieren, die er anstrebt. Er muss deren Ängste und Bedürfnisse kennen und darauf eingehen und ein System installieren, dass die intrinsische Motivation erhöht, gute Beratung zu bieten.

Natürlich funktioniert das auch ein Stückweit mit Technologie, aber sie ist eben nur ein Hilfsmittel. Bei Philips setzt man im Customer Care inzwischen weitreichend auf Bots, die versuchen, Standardanfragen zu beantworten. Kritisch wird das, wenn der Detailgrad eine Stufe erreicht, wo der Bot nicht mehr weiter kommt. Hier soll so an menschliche Support-Mitarbeiter übergeben werden, dass der Kunde am anderen Ende das gar nicht merkt. Eine Gratwanderung. Erfolgt die Übergabe zu früh, entstehen hohe Kosten, weil zu viele Anfragen an die Mitarbeiter durchgeleitet werden. Erfolgt die Übergabe zu spät, hat der User vielleicht bereits gemerkt, dass er mit einer Software kommuniziert und ist frustriert.

Auf komplizierte Fragen weiß UBO von Unitymedia keine Antwort – erzeugt das ein Imageproblem für ein Kommunikationsunternehmen?

Fazit

Customer Centricity ist keine Frage von mehr oder weniger Technologie. Es geht um den sinnvollen Einsatz der richtigen Instrumente, ausgehend von den Ressourcen, die ein Unternehmen zur Verfügung hat. Es geht auch nicht um ein maximales Maß an Begeisterung. Die allermeisten Kunden sprechen von einer positiven Kundenerfahrung, wenn man ihnen dabei geholfen hat, ihr eigentliches Ziel zu erreichen.

Und hinter jedem Optimierungsschritt muss der Lasttest stehen. Funktioniert das neu eingeführte System so, wie man es wünscht. Der zwischenzeitlich insolvent gegangene Möbel- und Einrichtungshändler Butlers hatte eine Verkaufsberatung per Videochat mit viel PR-Getöse eingeführt und der Ansatz war auch gut, nur konnten die Möbelstücke signifikant anders aussehen, als auf der Website, weil die Beleuchtung im Showroom eine andere war. Ein echtes Problem für die Customer Journey.

Das gefeierte Verkehrs-StartUp ParkNow hat unterdessen ein ganz anderes Problem mit der Customer Journey. Parkt man in entsprechenden Zonen, so kann man über die App oder die Telefonrechnung bargeldlos die Parkgebühren entrichten. Der Download funktioniert reibungslos, die Einrichtung auch und selbst der anonyme Kauf über die Telefonrechnung ging erstaunlich schnell. Aber der Kunde bekommt trotzdem ein Knöllchen, zumindest in Köln. Dort benötigt man eine kleine Parknow-Plakette an der Windschutzscheibe. Der registrierte Kunde wird davon per Layer informiert, der anonyme Kunde leider nicht. Aber egal wie: Die Überraschung ist bei beiden gleich groß, wenn Sie mit dem Smartphone in der Hand den Link auf der FAQ-Seite anklicken, auf dem steht: „Die Parkplakette jetzt sofort ausdrucken“

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